LORENZ HELFER

lorenz helfer über seine arbeit: „im januar 2020 bezog ich ein geräumiges atelier in bregenz. nach monaten des ankommens und des zurechtfindens, nach unzähligen gescheiterten bildern, begann ich im einklang mit einem noch nie dagewesenen frühling gute bilder zu malen. meine figuren begannen sich freier zu bewegen, frühere ungenauigkeiten verschwanden, zurück blieb eine malerei, die nur sich selbst diente.

ich beschloss meine werke nicht mehr zu betiteln, sondern sie fortlaufend zu nummerieren. meine bilder sollten nicht mehr mit einer idee beginnen, ich vertraute meinem arm und der farbe, ich ließ sie gewähren. das betrachten ist der entscheidende faktor beim malen, es nimmt die meiste zeit in anspruch. es müssen entscheidungen getroffen werden: wird mehr farbe benötigt, stört ein ganzer teil und sollte weggewischt werden? ich drehe das bild, ist es so vielleicht besser? zurück zur leinwand, alles entsprechend ändern und noch einmal schauen. schritt zurück! drei meter, fünf meter… alles, bis ich zufrieden bin. wenn es nicht klappt, lege ich es einfach zur seite und übermale es in ein paar monaten.

ich habe einen rhythmus gefunden. ohne anstrengung, ohne mich zu zwingen, ging ich sechs tage in der woche ins atelier. wenn ich nicht da war, dachte ich an meine bilder, ich vermisste sie, ich malte in meinem kopf an ihnen weiter. sie wurden dunkler, dann ganz hell, die formate wurden größer. ich war immer noch gegen jede idee, ich wollte den bildern ihre freiheit lassen. aber immer wieder stieß ich auf motive, denen ich mich nicht entziehen konnte. sie waren plötzlich da und ein bild allein konnte ihnen nicht mehr gerecht werden. es entstanden serien: zuerst waren es spiegelungen, die mich interessierten, hunde bevölkerten meine bilder, ich malte spiegelungen auf nassen straßen, ich malte schatten. ich ließ allen schichten ein eigenleben, jede figur sollte sich auf ihre eigene weise bewegen, und doch sollten alle miteinander verbunden sein. ich stellte in frage, was realität ist, ich schuf parallelwelten, ein bild zeigte verschiedene zeitpunkte. die hunde wurden von autos verfolgt. ich wollte mich von allem gelernten befreien, um einen unvoreingenommenen blick auf meine motive zu bekommen.

mein ganzes künstlerisches leben lang habe ich figuren gemalt. in den jahren in denen ich akte zeichnete, lernte ich sie so gut zu verstehen und zu kontrollieren, dass ich das gefühl hatte, meiner malerei die freiheit zu nehmen, zu viel kontrolle über mein werk auszuüben. ich bin ohne auto aufgewachsen, ich habe keinen führerschein, und ich habe mich nie mit autos beschäftigt. mein blick auf autos ist völlig naiv. autos schienen das perfekte thema zu sein, um aus meiner routine auszubrechen. meine straßen wurden immer einsamer, und die bilder wurden immer monochromer. ich erkannte, dass es die leere war, die mich mehr und mehr faszinierte. ich ließ autos, hunde und menschen hinter mir. an diesem punkt stehe ich heute.“ – lorenz helfer